Der Schlüssel zu einem guten Bösewicht

Der Schlüssel zu einem guten Bösewicht

Einen guten Bösewicht* zu schreiben ist gar nicht so einfach. Hier sind einige Fragen, die sich jeder Autor beim Schreiben eines spannenden Antihelden stellen sollte, und zum Abschluss gibt es ein kleines Quiz, in dem du deinen Bösewicht-Typ feststellen kannst.

Was macht den Bösewicht so böse?

Der Bösewicht soll kein Scherenschnitt sein, sondern ein Mensch mit einer facettenreichen Persönlichkeit. Denn niemand ist ohne Motiv böse, selbst der dämonischste Serienkiller zieht einen (wie auch immer gearteten) Nutzen aus seiner Tat. Bosheit existiert als absolutes Konzept also nur in der Theorie, in der Wirklichkeit hat sie viele Schattierungen und unterschiedliche Stufen.
Die beiden Figuren Draco Malfoy und Harry Potter zeigen, wie ein und dieselbe Eigenschaft sich in zwei Personen sehr unterschiedlich manifestieren kann. Beide werden von einem Geltungsbedürfnis getrieben: Sie streben nach Anerkennung. Harry, weil er in seiner Kindheit bei den Dursleys nie Anerkennung erhielt und den starken Drang hat, sich zu beweisen. Draco hingegen sieht Anerkennung als etwas, das ihm aufgrund seiner Herkunft und seiner Zauberkenntnisse rechtmäßig zusteht. Das Ausbleiben derselben löst in ihm Verbitterung und Hass aus. Es ist also nicht eine bestimmte Eigenschaft, die korrumpiert, sondern die Art und Weise, wie die Figur sie einsetzt.

Bösewichte haben oft eine Machtposition inne, die allerdings mehr ihre Ohnmacht als wahre innere Stärke offenlegt. Beim Ausnutzen dieser Machtposition im Verhalten gegenüber Schwächeren übertritt die Figur die erste und entscheidende Schwelle in ihrer Entwicklung zum Bösewicht.

Kann man sich mit ihm identifizieren oder zumindest Teile seines Handelns nachvollziehen?

Bei gut geschriebenen Bösewichten schwankt man als Leser oft zwischen Bewunderung und Hass. „Böse“ zu sein erfordert Konsequenz und den Mut, sich gegen gesellschaftliche Normen zu stellen. Oft hängt es von der Perspektive ab, ob man jemanden als gut oder böse wahrnimmt. Nehmen wir ein Fantasy-Szenario: Ein Assassine verübt einen Mordanschlag auf einen Herrscher, der seinem Land jahrelangen Frieden und Wohlstand verschafft hat. Eine Tat, die durch und durch böse scheint. Doch was, wenn wir erfahren, dass eine Minderheit unter diesem Herrscher sehr gelitten hat? Es macht den Mordanschlag nicht weniger verwerflich, aber wir sehen die Motivation des Täters nun in einem anderen Licht.

Für das Schreiben kann man daraus die Frage ableiten: Wie rechtfertigt der Bösewicht sein Handeln? Wem gegenüber sieht er sich in der Verantwortung? Er kann durchaus moralische Grundsätze haben; das Interessante ist, wie er sein Handeln vor sich selbst und anderen begründet. Vielleicht sieht er sich eigentlich als einen der „Guten“ an.

Kann man beim Leser überhaupt Sympathie für einen Bösewicht erzeugen? Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn eine andere Buchfigur nett zu ihm ist. Es zeigt: Diese andere Person sieht in ihm etwas, das liebenswert ist, und mag es noch so gering scheinen. Und der Bösewicht selbst? Wie reagiert er? Schließlich ist es einfach, böse zu sein, wenn ohnehin alle genau das von ihm erwarten. Feindseligkeit mit Feindseligkeit zu begegnen erscheint logisch – aber auf Freundlichkeit Hass zu erwidern ist auch für einen hartgesottenen Bösewicht gar nicht so leicht und könnte ihn in ein moralisches Dilemma stürzen.

Macht er eine charakterliche Entwicklung durch?

Eine wichtige Frage bei der Gestaltung eines guten Bösewichts ist die nach der Entwicklung. Können wir ihn anfangs noch verstehen, indem wir seine Motivation zwar nicht teilen, aber nachvollziehen können? Steht der Charakter an einem Scheideweg und muss eine Entscheidung treffen, wird der Leser sich in jedem Fall wünschen, dass er den richtigen Pfad beschreitet. Doch der wahre Bösewicht trifft eine andere Entscheidung. Insofern könnte man das Konzept der Heldenreise von Joseph Campbell umkehren: Die Antiheldenreise ist eine Spirale nach unten, die dem Bösewicht im Gegensatz zum Helden keine Aussöhnung mit den eigenen Schattenseiten oder einen Sieg des inneren Guten beschert.

Doch auch ein Bösewicht kann sich ändern. Um auf Draco Malfoy zurückzukommen: Eine prägende Erfahrung für Bösewichte kann tatsächlich Demütigung sein. Die Demütigungen, die sie früher an andere verteilt haben, werden ihnen nun zum Verhängnis. Nach der Schlacht um Hogwarts müssen Draco Malfoy und seine Mutter die schmerzhafte Erfahrung machen, dass sie sich für die falsche Seite entschieden haben, und sich für ihre Taten verantwortlich zeigen. Mit dieser Erfahrung umzugehen erfordert Selbstreflexion und die Bereitschaft, Fehler einzugestehen. Doch sein Weltbild (und sich selbst) derart zu hinterfragen gelingt nur wenigen Bösewichten.


*Ein Bösewicht kann natürlich weiblich, männlich oder non-binär sein.

Quiz

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